Vibrissen – Feingefühl durch dicke Tasthaare
Woran merkt ein Hund eigentlich beim Verfolgen einer Spur, wie hoch er den Kopf halten muss, damit die Nase nicht im Dreck schrubbert? Wie fühlt er beim Schwimmen den Wasserspiegel, so dass er weiß, wie hoch er den Kopf halten muss? Und wodurch wird mein Bodo wach, wenn ich mit der Hand nur in die Nähe seiner Schnauze komme?
Die Antwort ist haarig: Es sind die Vibrissen, die dicken Nasenhaare, die unseren Tieren diese und viele weitere Informationen übermitteln. Die Sinus-, Tast- oder Schnurrhaare der Säugetiere sehen aus wie Haare, sind aber deutlich dicker. Wenn man sie abschneidet, verursacht das keinen unmittelbaren Schmerz. Aber die Vibrissen sind mit Nerven verbunden. Ihre Follikel sind deutlich größer als die der normalen Körperhaare, und in diesen großen Haarwurzeln finden sich blutgefüllte Kammern mit vielen spezialisierten Sinneszellen, so dass feinste Berührungen des Tasthaares wahrgenommen werden können. Ratten, so weiß man aus Laborexperimenten, können über ihre Tasthaare die Richtung eines Luftzugs bestimmen. Vibrissen bieten Tieren Unterstützung bei der Orientierung im Dunkeln. Sie schützen die Schnauze, vor allem den Bereich, der nicht durch das Sehfeld abgedeckt wird. Blinde Katzen finden ihr Futter mithilfe der Vibrissen, der Geruchssinn allein reicht dazu nicht aus. Tasthaare sind für Tiere überlebenswichtig. Ein großer Teil des Gehirns vieler Säugetiere ist denn auch dazu angelegt, die Reize aus den Follikeln der Tasthaare auszuwerten.
Anatomisch-physiologisch zeigt sich durch den Aufbau ihrer Follikel ohne Zweifel, dass die Vibrissen Teil eines funktionstüchtigen Sinnesorgans sind. Wie wichtig diese Haare sind, ist für Katzen anerkannt, wird aber beim Hund vielfach unterschätzt. Manche Hundefrisöre schneiden die Fühlhaare sogar ratzfatz kurz, wenn der Rest des Hundekörpers geschoren wird. Werden die Tasthaare aber entfernt, fehlt dem Tier die Funktion dieses Sinnesorgans. Das Abschneiden der Sinushaare ist also keinesfalls eine pflegerische Maßnahme, man kann es sogar als vorübergehende Amputation bezeichnen, was dem Tierschutzgesetz widerspricht. In Österreich wurde das bereits in einem Gerichtsurteil bestätigt.
Zweifelsfrei belegt ist bereits die Schutzfunktion der Vibrissen über den Augen. Deren Berührung hat ein sofortiges, reflektorisches Zwinkern der Lider zur Folge. Wie wichtig die Vibrissen sind, zeigt auch dies: Ein Tasthaar fällt erst aus, wenn aus dem gleichen Follikel schon ein Ersatzhaar gewachsen ist und mindestens die Hälfte seiner endgültigen Länge erreicht hat.
Bei Katzen nennt man die Vibrissen übrigens oft Schnurrhaare. Mit dem Schnurren haben sie aber nichts zu tun. Sie bilden den Tastsinn aus, weil Katzen auf kurze Distanz nur schlecht sehen können. Auch an der Rückseite der Pfoten haben Katzen kleine Vibrissen, mit denen sie